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1

Freitag, 29. Juli 2011, 21:44

Neue Pythonart beschrieben...

Hallo Zusammen,

wie ja vor einiger Zeit angedeutet gibt es eine neue Pythonart aus dem Python curtus Komplex (sensu lato). Die Art stammt aus Birma und wurde Python kyaiktiyo benannt. Der Artikel ist leider nicht frei erhältlich, aber das Abstract kann man hier lesen:

Abstract
: Short-tailed pythons, Python curtus species group, occur predominantly in the Malayan Peninsula, Sumatra, and Borneo. The discovery of an adult female in Mon State, Myanmar, led to a review of the distribution of all group members (spot-mapping of all localities of confirmed occurrence) and an examination of morphological variation in P. brongersmai. The resulting maps demonstrate a limited occurrence of these pythons within peninsular Malaya, Sumatra, and Borneo with broad absences in these regions. Our small samples limit the recognition of regional differentiation in the morphology of P. brongersmai populations; however, the presence of unique traits in the Myanmar python and its strong allopatry indicate that it is a unique genetic lineage, and it is described as Python kyaiktiyo new species.

Zug, G.R., S.W. Gotte & J.F. Jacobs. 2011. Pythons in Burma: Short-tailed python (Reptilia: Squamata). Proceedings of the Biological Society of Washington 124(2):112-136.
http://www.bioone.org/doi/abs/10.2988/10-34.1

Viele Grüße ;-)

2

Freitag, 29. Juli 2011, 22:40

Bestimmungsschlüssel (nach Zug et al., 2011):
1)
a) Normalerweise eine oder mehr Subokularia, die das Auge von den Supralabialia trennen;
weniger als 166 Ventralia ……………………………………………………..……………………………………………………… 2

b) Keine Subokularia, Augen in Kontakt mit Supralabialia;
165 oder mehr Ventralia ……………………………………………………………………………………………………………… 3

2)
a) Vordere Parietalia nicht oder nur selten in Kontakt mit der Mittellinie ……...............................................……………………P. curtus
b) Vordere Parietalia in engem Kontakt entlang der Mittellinie ……………........................................……………………………P. breitensteini

3)
a) Ventralia 165-178; normalerweise Unterseite des Schwanzes hell
mit einigen dunkelen Sprenkeln ………………………………………………………………………….............…………………P.brongersmai

b) Ventralia 180 oder mehr; Unterseite des Schwanzes mit einzelnen
dunkelen Flecken …………………………………………………………………………………………………...……………… P. kyaiktiyo

3

Samstag, 30. Juli 2011, 11:32

Hallo Wulf,
vielen Dank für die Infos. :thumbsup:

SvenH

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4

Samstag, 30. Juli 2011, 12:23

Hallo,

kann jemand sagen in welche Richtung diese neue Art phänotypisch geht ?
Curtus, breitensteini und brongersmai sehen ja doch signifikant unterschiedlich aus. Ist diese neue 4. Art auch optisch divergierend von diesen dreien ?

Grüße,
Sven

5

Samstag, 30. Juli 2011, 12:47

Also, der neue Python sieht letztendlich so aus wie ein gelber Python brongersmai mit wenig schwarz. Eher sind die Flecken rostbraun umrandet. Ganz ehrlich und unter uns, würde ich so ein Tier live sehen, würde ich es wohl ebenfalls für einen Python brongersmai halten ;-)
Die Beschreibung der neuen Art hat auch ein paar Schwächen. So basiert die Analyse auf nur einem gefundenen Exemplar. Es handelt sich dabei um ein trächtiges Weibchen. Die Autoren unterscheiden es von den anderen drei Arten vornehmlich durch die o.g. Schlüsselmerkmale und dem isolierten Vorkommen. Allerdings sind die morphologischen Merkmale recht kanpp. Nimmt man für P. brongersmai 165-178 Ventralia und für die neue Art 180 (bei einem einzigen Tier), so könnte es, fände man mehrere Tiere durchaus noch zu Überlappungen kommen, womit dieses Merkmale gekippt wäre! Letztendlich, und da sind sich einige Leute, die über diese Arbeit im Vorfeld bereits Bescheid wußten, muss man eine genetische Analyse abwarten wenn es darum geht, diese neue Art final anzuerkennen. Wobei ich mich ernsthaft frage, wieso das nicht bereits gemacht wurde, denn das Tier und damit die DNA ist frisch, und Vergleichsproben der anderen Arten gibt es ebenfalls.

Insgesamt gesehen ist diese Arbeit keine echte Glanzleistung eines altgedienten Herpetologen. Auch ignoriert er die taxonomische Arbeit anderer Leute (Rawlings et al. 2008) in dem er weiterhin reticulatus als Python reticulatus bezeichnet. Er ignoriert damit nicht nur andere Forscher sondern auch die neuen Erkenntnisse zur Phylogenetik (Abstammungsgeschichte) und Biogeographie (Verbreitungsgeschichte). Und das reticulatus anders ist, wußten schon McDowell (1975), Lawson et al. (2004) und bewiesen wurde es dann in 2008. Also auch schon wieder ein paar Jahre her...

6

Samstag, 30. Juli 2011, 19:45

Wulf, wer zum Teufel soll diesen Namen aussprechen können ;) ?!?
Aber darüber hatten wir es ja in Hamm schon ;)

SvenH

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7

Sonntag, 31. Juli 2011, 11:46

Also, der neue Python sieht letztendlich so aus wie ein gelber Python brongersmai mit wenig schwarz. Eher sind die Flecken rostbraun umrandet. Ganz ehrlich und unter uns, würde ich so ein Tier live sehen, würde ich es wohl ebenfalls für einen Python brongersmai halten ;-)
Die Beschreibung der neuen Art hat auch ein paar Schwächen. So basiert die Analyse auf nur einem gefundenen Exemplar. Es handelt sich dabei um ein trächtiges Weibchen. Die Autoren unterscheiden es von den anderen drei Arten vornehmlich durch die o.g. Schlüsselmerkmale und dem isolierten Vorkommen. Allerdings sind die morphologischen Merkmale recht kanpp. Nimmt man für P. brongersmai 165-178 Ventralia und für die neue Art 180 (bei einem einzigen Tier), so könnte es, fände man mehrere Tiere durchaus noch zu Überlappungen kommen, womit dieses Merkmale gekippt wäre! Letztendlich, und da sind sich einige Leute, die über diese Arbeit im Vorfeld bereits Bescheid wußten, muss man eine genetische Analyse abwarten wenn es darum geht, diese neue Art final anzuerkennen. Wobei ich mich ernsthaft frage, wieso das nicht bereits gemacht wurde, denn das Tier und damit die DNA ist frisch, und Vergleichsproben der anderen Arten gibt es ebenfalls.
Ok, vielen Dank für die Infos.
Insgesamt gesehen ist diese Arbeit keine echte Glanzleistung eines altgedienten Herpetologen. Auch ignoriert er die taxonomische Arbeit anderer Leute (Rawlings et al. 2008) in dem er weiterhin reticulatus als Python reticulatus bezeichnet. Er ignoriert damit nicht nur andere Forscher sondern auch die neuen Erkenntnisse zur Phylogenetik (Abstammungsgeschichte) und Biogeographie (Verbreitungsgeschichte). Und das reticulatus anders ist, wußten schon McDowell (1975), Lawson et al. (2004) und bewiesen wurde es dann in 2008. Also auch schon wieder ein paar Jahre her...
Wulf, kannst Du kurz einem Nicht-Herpetologen erklären, wie der "Werdegang" einer solchen Artbeschreibung ist bis sie dann schlussendlich offiziell akzeptiert. Ich meine beginnend mit der Fertigstellung des Papers. Wo wird es eingereicht, wer prüft es und welche Institution gibt dann diese Beschreibung sozusagen frei ?
Mich wundert immer wieder wie doch augenscheinlich halbherzig durchgeführte Studien innerhalb der Herpetologie zu Publikationen und Artenbeschreibungen / Umklassifizierungen führen.
Ich habe eine Weile in der biochemischen / molekularbiologischen Forschung gearbeitet. Wenn ich daran denke, wie schwierig es war Papers in die großen Journals zu bekommen....Junge, Junge. Diese wurden zum Teil bis ins kleinste zerpflückt.....

Grüße,
Sven

8

Sonntag, 31. Juli 2011, 13:40

Hi Sven,

Zitat

Wulf, kannst Du kurz einem Nicht-Herpetologen erklären, wie der "Werdegang" einer solchen Artbeschreibung ist bis sie dann schlussendlich offiziell akzeptiert. Ich meine beginnend mit der Fertigstellung des Papers. Wo wird es eingereicht, wer prüft es und welche Institution gibt dann diese Beschreibung sozusagen frei ?


Wenn das Paper veröffentlich ist und sich formal an die Regeln der ICZN (International Commission of Zoological Nomenclature, http://www.iczn.org ) hält, ist der Name des beschriebenen Taxons "verfügbar" und die Arbeit gilt als publiziert. Eine Überprüfung auf Validität des neu beschriebenen Taxons findet nicht statt. Lediglich könnten andere Forscher Zweifel haben und selber anfangen zu untersuchen und später ihre Ergebnisse publizieren. Es gibt keine Institution, die die biologische Gültigkeit eines Taxons bestätigt oder nicht!

Zitat

Mich wundert immer wieder wie doch augenscheinlich halbherzig durchgeführte Studien innerhalb der Herpetologie zu Publikationen und Artenbeschreibungen / Umklassifizierungen führen.


Nun, halbherzig ist die Arbeit nicht. Sie ist durchaus gut recherchiert und gut geschrieben. Allerdings ist es gewagt, auf Basis eines einzigen Tieres sowas zu beschreiben. Aber man muss eine solche Artbeschreibung als Hypothese verstehen, die durch weitere Arbeiten entweder verifiziert oder falsifiziert wird. Ich könnte mir gut vorstellen, dass bei späteren genetischen Untersuchungen es sich herausstellt, dass diese neue und isolierte Art durchaus unterschiedlich ist. Aber es ist nicht nur in der Herpetologie so! Auch andere Disziplinen (Insektenforscher, Botaniker, Fischmenschen, etc.) haben damit zu kämpfen.

Zitat

Ich habe eine Weile in der biochemischen / molekularbiologischen Forschung gearbeitet. Wenn ich daran denke, wie schwierig es war Papers in die großen Journals zu bekommen....Junge, Junge. Diese wurden zum Teil bis ins kleinste zerpflückt.....


Ja, bei sowas sind die Reaktionsmechanismen ja auch vorhersagbar und nachvollziehbar. Neue Arten werden aber durch Unterschiede zu anderen ähnlicher Arten beschrieben. Und niemand zwingt einen dazu Genetik zu verwenden. Und morphologische Merkmale sind in der Regel zwar objektiv, aber man muß natürlich einge ganze Reihe von Exemplaren untersuchen, damit man statistisch signifikante Merkmalsunterschiede erhält. Das ist in "exakten Wissenschaften" einfacher. Insofern ist die Biologie wohl die spannendeste Naturwissenschaft, weil man nie wirklich weiß, was einen erwartet. Und was den peer-review angeht, wenn die Argumentation halbwegs plausibel erscheint, die Methoden korrekt angewendet werden, wie sollte der Reviewer dann eine Hypothese ablehnen, die er selber nicht kennt (von wegen neue Art). Aber ansonsten werden auch solche Papers ziemlich zerpfückt...

Viele Grüße,
Wulf

SvenH

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9

Sonntag, 31. Juli 2011, 14:46

Wulf, vielen Dank für die Erklärung.
So ganz verstehen tue ich den Ansatz in der Biologie allerdings nicht so ganz ohne "peer review" zu agieren.
Natürlich ist es nachvollziehbar, dass eine These aufgestellt wird, die dann verifiziert oder falsifiziert wird. Allerdings wenn man sich einige der Arbeiten anschaut (ich denke da z.B. an die Arbeiten im Bereich Boa constrictor, die im Buch von Bonny einzeln analysiert wurden), so ist häufig die Basis der These recht dürftig (kleine Population, keine Feldstudien etc.).

Wäre es nicht durchaus hilfreich eine gewisse "Qualitätskontroll-Instanz" zu etablieren ?

Grüße,
Sven

10

Sonntag, 31. Juli 2011, 15:25

Hi Sven,

tja, "peer-review" ist nun einmal keine Pflicht nach den Nomenklaturregeln, die die Verfügbarkeit von zoologischen Namen regelt. Das ist auch etwas, was mehr und mehr Zoologen bemängeln, da es auch mehr und mehr "Hoserismus" gibt. Eingaben an die Kommission sind zwar gemacht worden, jedoch wurde das mit der Begründung abgelehnt, dass Nomenklatur (die auch die Verfügbarkeit von Namen sowie die Validität von Publikationen regelt) eben nicht Taxonomie sei...Henne-Ei-Prinzip. Aktuell streitet man sich, ob man auch "Nur E-Publikationen" zulassen sollte, allerdings kann man sich nicht auf ein Format (XML, PDF, txt, etc.) einigen. Ein schlechter Witz also!

Das Boa-Paper war auf den ersten Blick recht ordentlich. Das Problem war die Probenauswahl. Eigentlich hätte das den Reviewern auffallen müssen, da auch im Phylogramm ein fieser Patzer drin ist. Ich hätte dieses Paper nicht duchgewunken, wenn ich es hätte begutachten müssen!

Das mit den kleinen Populationen ist so eine Sache. Oftmals ist halt nur sehr wenig Material in den Museen vorhanden. Denk mal z.B. an Round Island Boas. Da wäre jedes Tier, welches in einer Museumssammlung landet ein Weg in den Untergang der Art. Manchmal gibt es auch kaum Gelegenheit weiteres Material zu sammeln. Das kenne ich selber. Das verfügbare Weisslippenpython-Material von den Inseln Mussau und Emirau ist halt auf zusammen 5 (2+3) Tiere begrenzt und ich hatte keine Gelegenheit weitere zu sammeln (Genehmigung, Zeit, Geld, Gesundheit, etc.). Feldstudien sind auch recht schwierig. Viele "Arten" sind schwer zu finden und man kann nicht monatelang irgendwo rumhängen und darauf hoffen, dass mal so ein Tier vorbei huscht...

Ich gebe Dir aber Recht, eine gewisse Qualitätskontroll-Instanz wäre wünschenswert, aber da stoßen wir bisher bei der Kommission auf taube Ohren...Hypothesen kann halt jeder aufstellen...

Früher in der Chemie hätte man uns auch gelüncht, wenn wir Ergebnisse publiziert hätten, die nicht stichhaltig und 100%ig reproduzierbar gewesen wären...

Viele Grüße,
Wulf

SvenH

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11

Dienstag, 2. August 2011, 15:33

HinWulf,
vielen Dank für die Erläuterungen.
Bin gespannt welche Auswüchse der "Hoserismus"in Zukunft noch erreicht.
Aber vielleicht wächst sich das ja raus......

Gibt es eigentlich eine halbwegs übersichtliche Platform, auf der man nach herpetologischen Publikationen zu verschiedenen Arten suchen kann ?

Grüße,
Sven

12

Dienstag, 2. August 2011, 16:45

Hi Sven,

Zitat

Gibt es eigentlich eine halbwegs übersichtliche Platform, auf der man nach herpetologischen Publikationen zu verschiedenen Arten suchen kann ?


Leider nicht. Es gibt nicht eine Plattform sondern dutzende und jede enthält ein bisschen Information oder auch nicht...Letztendlich muss man sich schon über sowas wie BioOne etc. über entsprechende Publikationen auf dem Laufenden halten und zudem noch selber recherchieren...

Viele Grüße,
Wulf

SvenH

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13

Dienstag, 2. August 2011, 17:49

Hi Wulf,

ok, also leider kein "Boa-PubMed"..schade, schade. ;(

Grüße,
Sven

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